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RüstungsQualität

Wie erkenne ich eine gute Rüstung?

Natürlich könnte ich jetzt anführen das man sich einige Jahre mit Metallverarbeitung, den Anbietern am Markt und der Formsprache historischer Rüstungen beschäftigen sollte. Dieser Leitfaden soll sich an diejenigen richten die dazu weder Lust noch Zeit haben.

  • Form:

    • Den ersten Eindruck bekommt man ohne Zweifel von der Form einer Rüstung. Zu phantastische Formen sollten einen zwar nicht abschrecken, aber doch zumindest vorsichtig machen. Die üblichen Formen einer Rüstung wurden Jahrzehntelang in der Praxis getestet und uns via Museum zur Nachahmung überlassen. Das ganze neu zu erfinden ist dagegen schwierig, wenngleich für gute Handwerker machbar. Einige Punkte sind durchaus entscheidend für die Sicherheit. Die Armröhre sollte nicht über dass Handgelenk hinaus reichen und den Handrücken berühren können, da dies ausgesprochen unangenehm werden kann wenn man stürzt und versucht sich ab zu stützen. Der Brustpanzer sollte sich nicht in die Achselhöhlen und das Genick drücken lassen und Geschübe an Ellenbogen und Knie sollten nicht kneifen. Da gibt es durchchaus Modelle die wie eine Zange wirken können. Auch sind Panzerkrägen ein Thema: Es ist anzuraten von Krägen die man leicht verbiegen kann sie Finger zu lassen. Es gibt auch Modelle die in steilem Winkel vom Hals des Trägers abstehen und so sehr leicht bei einem Sturz auf den Rücken das Genick verletzen können.

  • Material:

    • Es lohnt sich durchaus, an einer Rüstung etwas herum zu biegen. Eine Brustplatte, die man leicht mit einer Hand verbiegen kann, ist nicht sinnvoll. Selbst wenn das Material dünn ist, würde ein guter Hersteller Mittel und Wege finden das Rüstungsteil zu versteifen. Generell wird man wohl auf einfaches Stahlblech (wird häufig auch als "Carbonstahl" tituliert) mit einer Dicke zwischen 1mm und 2mm stoßen. Diese Dicke reicht fürs LARP völlig aus, wenn es ordentlich verarbeitet ist. Prädikate wie "Schaukampftauglich" kann man gerne ignorieren. Das sagt gar nichts aus. Es gibt allerdings auch Bleche oft z.B. aus Indien oder Pakistan) zum Beispiel, die bei gleicher Dicke deutlich weicher sind, als entsprechende Bleche europäischer Norm. Hier lohnt sich eben ein Test.

Verarbeitung:

Auch hier lohnt es sich, ein wenig genauer hin zu schauen, da schlechte Rüstung nicht nur LARPwaffen und den Gegner gefährden sondern auch den Träger selbst. Einige Stichpunkte wären:

  • Gerollte (gebördelte) Kanten:

    • Es gibt einige Stellen an denen eine Umbördelte oder gerolle Kante absolute Pflicht ist. Die Oberkante der Brustplatte und Armausschnitte der Brust und Rückenplatte. Die Unterkante von Unterarmschienen und -Röhren, die obere und untere Kante von Beinzeug. All diese Dinge zeigen in einigen Bewegungen direkt auf euren Körper und sollten gerollt sein. Ebenso empfehle ich das für alle Kanten die auf Mitspieler zeigen können. Am besten man probiert mal aus welche das sein können. Üblicherweise werden es Brechränder (sog. "Klingenbrecher"), Schultern, Ellenbogen- und Kniekacheln sein. Bei anderen Stellen kommt es schlicht auf die Materialdicke und Härte an. Ein Blech von 1mm Stärke kann zu weich sein und wird gerne mit einer solchen Umkantelung (bzw. "Bördelung") stabilisiert. Dies dient aber mehr der Festigkeit als wirklich der Sicherheit. Auch ein Geschübe aus dünnem Blech kann ohne Umbördelung völlig sicher sein wenn es gut genug sitzt und nicht in Lamellen absteht.

  • Scharfe Kanten:

    • Ein guter Versuch ist, die ganze Rüstung einmal abzutasten. Scharfe Stellen sind kein gutes Zeichen. Ebenso sollte man bei Spitzen an bzw. in Geschüben aufpassen. Gerade Handschuhe haben so was oft. Wenn man mit der Hand nicht gegen das Geschübe drüber fahren kann, ist es nicht tauglich.

      Generell sollte bei einer LARP-Rüstung auf gefährliche Spitzen verzichtet werden. Sind diese zwingend zur Darstellung nötig, empfiehlt sich eine Applikation aus Schaumstoff. (Meinung von RickS.)

  • Nieten:

    • Die Nieten sollte man eingehender prüfen. Halten sie? Stehen sie über? Sind sie scharfkantig? Nichts zerstört so zuverlässig alles, was man darunter trägt, wie scharfkantige, überstehende Nieten. Natürlich kann man das auch selbst korrigieren, aber es erwartet ja auch Niemand, dass man sein Auto selbst lackiert, wenn man es kauft. ;)

  • Funktion:

    • Ebenso ist es lohnend die ganze Rüstung an zu probieren. Zumal bei Arm- und Beinzeug. Es ist übrigens nicht nötig, dass eine Rüstung klappert und scheppert und man kann sich sehr wohl in einer gut gemachten Rüstung leicht und bequem bewegen. Egal was der Verkäufer sagt. Vor allem sollte nichts blockieren, das weist auf grundsätzliche Konstruktionsfehler hin. Da hilft es auch wenig, wenn der Verkäufer das eben mal zurecht biegen kann. (Siehe auch den Punkt "Material" zum Thema "biegen einer Rüstung")

  • Schnallen:

    • Bei LARP-Rüstungen sind Rollschnallen weit verbreitet, nachgegossende oder gefeilte Repliken sind eher selten, aber auch erhältlich. Rollschnallen sind an sich völlig tauglich, haben aber den Nachteil, dass sie aus einem Drahtbügel gerfertigt sind der die Rolle hält. Ist dieser Draht zu weich, kann er sich leicht verbiegen, die Rolle springt heraus und der Riemen ist offen. Die Riemen sind leider einer der Punkte, bei denen man am leichtesten reinfallen kann: Kaum ein Laie kann erkennen, wie gut das Leder ist das einem angeboten wird, lediglich Kunstleder oder Lederfaserstoff ist recht gut zu erkennen aber nicht empfehlenswert. Leider neigt schlechtes Leder zum ausreißen, was den Laien wiederum vor größere Probleme stellt, da zumindest Nietwerkzeug nötig ist, um so etwas zu reparieren.
  • Oberflächenbehandlung:

    • So angenehm eine Hochglanzpolitur sein mag, sie ist nicht jedermanns Geschmack und oft auch schlicht zu aufwändig. Üblich dürfte die Eisenblanke Oberfläche sein, die aber trotzdem halbwegs gleichmäßig ausfallen sollte. Vor allem deutliche Schliffspuren durch eine Schleifmaschine, erkennbar an kreisförmigen Riefen, sind unschön. Eine zu grobe Oberfläche macht zudem eine Menge Arbeit, da sie weitaus schneller rostet, als eine glattere. Als Alternative sind brünierte Oberflächen verbeitet. Diese bieten zumindest einen gewissen Rostschutz und sind aufgrund der schwarzen Oberfläche recht beliebt. Man sollte hier aber schauen, ob es sich wirklich um einer Brünierung handelt oder eine Lackierung oder Pulverbeschichtung. Eine Brünierung ist sehr abriebfest, dafür aber nicht deckend schwarz. Mann erkennt noch den Metallcharakter der Rüstung. Eine Lackierung kann sehr tauglich sein, es gibt aber auch Beispiele, bei denen der Lack schnell abplatzt. Eine Pulverbeschichtung wäre zwar sehr haltbar, kommt aber sehr selten vor.

Was unterscheidet eine LARP-Rüstung von anderen Rüstungsarten?

Der wohl wichtigste Unterschied zwischen historischen und LARP-Rüstungen ist der reale Schutz, den die Rüstung dem Träger bietet. Echte Rüstungen waren der Technik der Zeit entsprechend so gebaut, dass sie den Träger bestmöglich vor der Einwirkung scharfer bzw. spitzer Stahlwaffen schützten.
Im LARP ist dieser Schutzwert nahezu egal, da (theoretisch) von Polsterwaffen keine Gefahr ausgeht. Im LARP muss eine Rüstung nur so aussehen, als ob sie den Träger schützen würde. Dabei ist es unerheblich, ob der Stahl der Rüstung nun ausreichend dick, bzw. hart ist, um einen kraftvollen Stich oder Hieb mit einer Stahlwaffe unbeschadet zu überstehen.
In der realen Geschichte begannen die Schutzmaßnahmen, die ein Kämpfer ergriff zumeist mit der Anschaffung eines Helmes, da der Kopf gleichzeitig sehr exponiert und verwundbar ist. Eine Kopfverletzung beendete verschiedenen Büchern und moderner medizinischer Kenntnisse nach zumeist den Kampf. Daher waren wohl die meisten Kämpfer bestrebt, ihren Kopf bestmöglich zu schützen.
Auch ein Treffer im Torso- bzw. Rumpfbereich bedeutet oft eine ernsthafte Verletzung und historisch vermutlich häufig den Tod. Daher wurde direkt nach dem Kopf vermutlich der Torso geschützt.
Arme und Beine verkraften Verletzungen im Vergleich relativ gut und können notfalls amputiert werden - daher standen die Extremitäten vermutlich in der Prioritätenliste erst nach Kopf- und Torsoschutz.
Im LARP hingegen sind die Arme und Beine eine der am häufigsten getroffenen Zonen und die meisten Regelwerke verbieten Schläge zum Kopf generell. Die Prioritäten einer LARP-Rüstung bleiben also dem Gusto des Trägers vorbehalten.
Es gibt jedoch auch Entsprechungen - also Bereiche in denen historische und LARP-Rüstungen Ähnlichkeiten aufweisen sollten:
Eine Rüstung war dafür gedacht, den Träger zu schützen, und nicht um ihn in seiner Beweglichkeit einzuschränken. Entgegen landläufiger Meinung kann man in einer geschichtsnahen Plattenrüstung z.B. Purzelbäume schlagen, selbstständig vom Boden aufstehen, rennen und springen. Daher sollten LARP-Rüstungen (abgesehen vom Gewicht) die Bewegungsfreiheit nicht nennenswert einschränken.
Im LARP sind häufig Rüstungsteile zu beobachten, die in gefährlichen Winkeln vom Träger abstehen. Diese Teile können im Fall eines Sturzes schnell OT für den Träger gefährlich werden. Das gleiche gilt z.B. für Klingenbrecher, die das Gesicht bzw. den Hals des Trägers erreichen können. Unabhängig von der historischen Realität (in der nach aktuellem Erkenntnisstand nur kampfuntaugliche Prunkrüstungen solche Teile aufwiesen) sollten solche gefährlichen Rüstungsteile unbedingt gemieden werden.

Es lässt sich also zusammenfassen:

Unterschiede:

  • realer Schutzwert gegen Stahlwaffen
  • Trefferwahrscheinlichkeit auf einzelne Gliedmaßen

Entsprechungen:

  • Beweglichkeit
  • keine Gefahr für den Träger durch Rüstungsteile

Es gibt jedoch nicht nur den Stand der Geschichtsforschung. Rüstungen sind auch in verschiedenen Sportarten und Shows bzw. Theater im Einsatz.
Oft unterscheiden sich diese Rüstungen nur marginal im Einsatz von LARP-Rüstungen, müssen jedoch teilweise auch besonderen Ansprüchen genügen. So sind z.B. Tjost-Rüstungen für entsprechende Shows so konzipiert, dass die Holzlanzen keine Beschädigung erzeugen können und der Träger unbeschadet vom Pferd fallen kann. Dabei handelt es sich jedoch meist um Spezialanfertigungen, denn diese Anforderungen können durch Massenware zumeist nicht gewährleistet werden.
Das oft in Shops zu lesende "Schaukampftauglich" hat diesbezüglich jedoch keinerlei Aussagekraft und ist lediglich ein werbewirksames Wort, das man bedenkenlos auf jedes 08/15-Rüstungsteil anwenden könnte.

Qualitätsmerkmale von LARP-Rüstungen

Pluspunkte:

  • Günstiger Preis (geht leider oft mit Minuspunkten einher)
  • Ansprechendes Finish (Bemalung, Ätzung, Gravur, Politur, Brünierung) (Brünierung wirkt nur bei wenigen Charakterkonzepten stimmig. Meinung von RickS.)

  • Originelle und auffällige Optik (vorsicht bei Teilen, die den Träger verletzen oder Polsterwaffen beschädigen können!)
  • leichtgängige, passende Geschübe (Geschübe dürfen den Träger nicht einklemmen oder Spielpartner verletzen können!)
  • Passform (keine Einschränkung beim Greifen, Kämpfen und vom Boden aufstehen)
  • Rostschutzanstrich auf der Innenseite
  • Umbördelung (Faltung) der Außenkanten
  • Stabilität (Plattenrüstungsteile sollten von Hand kaum bis garnicht verformbar, Kettengeflechte vernietet sein!)

  • Stimmiges Gesamtkonzept

Minuspunkte:

  • Seitlich nicht umbördelt
  • Schlechter Sitz (z.B. mangelnde Passform, zu wenige Befestigungen/Schnallen, etc.)
  • Passt optisch nicht zum Rest der Rüstung
  • "Blankes" Finish mit deutlichen Schleifspuren
  • Hohe, steil angesetzte Klingenbrecher (können bei Anheben der Arme gegen den Hals schlagen -> Gefahr bei Stürzen)

  • mangelnde Passform (häufig zu sehen sind z.B. Plattenkrägen, die vom Rücken des Trägers steil abstehen -> Gefahr bei Stürzen)

  • Riemen aus Kunstleder (mangelnde Stabilität) (Kunstleder sieht meist schnell bescheiden aus. Meinung von RickS.)

  • Ringe lösen sich leicht aus Kettengeflecht
  • überstehende Nieten und Grate (sorgen für Beschädigungen an der Untergewandung und womöglich sogar Verletzungen!)
  • Geschübe, die wie Zangen wirken und z.B. Finger oder Polsterwaffen einklemmen können
  • nicht zueinander passende Rüstungsteile

BitteErgänzen

Verweise:

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