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SozialeKompetenz

Soziale Kompetenz

Welch hehres Wort, das ich hier so gelassen schreibe. Und das im Larp, im chaotischsten aller Hobbies, dort, wo jeder sein eigener Geschichtenschreiber ist? Ja, speziell hier zeigt sich, wer mit dem D-Zug durch Kinderstube und Erziehung gerauscht ist und wer nicht.

Ein kleines Beispiel soll verdeutlichen, was ich meine:

Da koche ich auf einem Con für die überschaubare Menge von insgesamt 46 Personen und entschließe mich sonntags, zum Frühstück frische Pfannkuchen zuzubereiten. Gesagt, getan, bald schon verlässt ein nicht enden wollender Strom von großen Pfannkuchen (im übergroßen Format, weil die Pfannen recht groß waren) die Küche und wird von fleißiger Helferhand auf das Büffet gestellt. Regelmässig kommen leere Platten zurück und gehen voll wieder in den Speisesaal. Am Ende, bei der Schlußbetrachtung dann die Ernüchterung: Von 46 Personen, die am Frühstück teilnahmen wollten 6 keine Pfannkuchen haben (der Koch eingeschlossen). Bleiben also 40 potentielle Esser übrig. Zubereitet habe ich 120 von diesen Dingern, insbesondere, weil noch so viele Eier übrig waren und gekochte Eier äußerst langweilig sind. Dies ergibt eine rein rechnerisches Verhältnis von 3 Pfannkuchen je Esser, was reichlich ist. Die Realität ergab aber 7 Personen die gar keine Pfannkuchen mehr bekommen haben.

Und da fängt bei mir die Frage an: Warum nicht? Wo ist das Gen, das manche Leute dazu bringt, auf andere Rücksicht zu nehmen, das andere aber davon Abstand nehmen läßt?

Man könnte ja nun einwenden, daß die ständige Nachschubkette aus der Küche suggeriert, es sei unendlich viel da und das man sicher mit 3 Pfannkuchen pro Person unterversorgt sei (bei Pfannkuchen im Durchmesser von etwa 40cm etwas schwer vorstellbar, aber durchaus möglich, es waren allerdings Pfannkuchen, keine Crêpes!), aber der betreffende Con war ein Rätsel/Ambiente/wenig Bewegungs-Con, es war der finale Sonntag und die Pfannkuchen waren nur Teil eines "normalen" Frühstücks, das aus Brot, Brötchen, Marmelade (5 Sorten), Honig (2 Sorten), Brei, Bratwürstchen, Wurstaufschnitt, Käseaufschnitt, Kräuterquark, diverse Reste vom Abend zuvor, Cornflakes und eben als Extra die Pfannkuchen bestand. Wer da nicht satt wurde, hatte irgendwas falsch gemacht oder am Abend zuvor Dinge getan die seinen Appetit zügelten.

Weitere Beispiele kann ich in beliebiger Fülle aufzählen. Sei es der Held, der sich beim Büffet von der Vorspeise (Roastbeef mit frischem Meerettich und Röstbrot) einen richtig vollen Teller schöpfte und auf mein fragendes Gucken treuherzig meinte "Keine Sorge, ich ess das schon alles!" (ob es für andere reicht, ist ja nicht dein Problem, du Nase!), sei es die Heldin, die aus der Saucenschüssel mit einem Löffel eine Kostprobe nahm und dann (weil Knoblauch ihr nicht schmeckt) den Inhalt des Mundes wieder in erwähnte Saucenschüssel zurückbeförderte (Danke, von Hygiene hast DU noch nie was gehört), sei es der wackere Streiter für die gute Seite, der dem Pagen so lange auf die Finger haut, bis der das volle Tablett auf den Boden fallen läßt, oder die Helden, die mit voller Rüstung und langen Waffen im Festsaal sitzen und den Bediensteten im Weg sind - es gibt alleine beim Thema Essen Hunderte von Möglichkeiten, sich daneben zu benehmen. Komischerweise merken es die Leute immer erst dann, wenn man was sagt. Mir konnte allerdings noch keiner erklären, an welcher Stelle dieser Schalter sitzt, der bei so vielen das Hirn ausknippst.

Das beliebte Thema "in voller Rüstung beim Festmahl" bedarf noch einiger Erläuterungen, denke ich. Was ist das Hintergrundsetting? Ein frugales Mahl im Feldlager bei der Schlacht gegen die Horden der Finsternis? Nein, die Einladung eines Königs zu seiner Verlobung, die übliche Einladung zu einem minniglichen Ball oder der Tanz in den Mai ist gefragt. Und da frag ich mich halt, was der König, Graf, oder wer auch immer da nun einlädt, wegen dieser tödliichen Beleidigung, die man ihm antut, wenn man in Rüstung und mit allen Waffen im Festsaal sitzt, so unternimmt. Und was tut er? Nichts! Aber warum nicht? Weil die Helden der Festtafel sich natürlich auf der guten alten Gesetzmässigkeit der Larperfamilie ausruhen, weil es ein Problem gibt, wenn ich als König jemanden rausschmeiße, der OT für das Essen bezahlt hat, IT allerdings vor die Tür oder zu den Schweinen gehört. Es gibt ja meist nur einen Speisesaal und daher auch keine Möglichkeit, das Essen zu splitten. Also macht jeder gute Miene zum bösen Spiel und das Personal stolpert weiter über Langschwerter, Kampfäxte, Magierstäbe und ähnliches. Es gab sogar schon Beispiele, wo sich wackere Ritter nicht entblödeten, wegen einer popligen Bedrohung ihrer Gesundheit jegliche Minne fallen zu lassen und in voller Rüstung zu tanzen. Dabei sind dann (wie nicht anders zu erwarten) diverse Kleider der anwesenden Damen schwer verletzt worden, einige mussten gar der Letzten Ölung zugeführt werden, weil halt Seidenjaquard mit Riss nicht mehr reparabel ist. Aber macht ja nix, kann man ja alles neu kaufen, die Dame von Welt trägt ja eh jedes Kleid nur ein Mal.

Manch einer mag nun einwenden: "Aber dann reg dich halt IT drüber auf und weise den Übeltäter IT auf seinen Fehler hin". Und genau da kommt die Soziale Kompetenz, bzw. ihr Fehlen zum Vorschein. Ich habe bereits mehrfach (viel zu oft eigentlich) diese Problematik erlebt und musste dabei Folgendes feststellen: Alle die Spieler, denen ich eine vorhandene Soziale Kompetenz attestiere, verstehen den vom Majordomus getätigten Ausspruch (ja, wir lassen sowas durchaus ansagen, nicht jeder weiß es schließlich von Anfang an, was Sitte bei uns ist) dahingehend, daß sie beim Festmahl ohne Waffen und Rüstungen auflaufen. Diejenigen aber, die das trotz vorheriger IT Bitte nicht tun, sind danach auch "beratungsresitent", wenn man sie IT (oder OT) drum bittet, dies zu unterlassen. Einige wenige haben sich bislang wirklich getraut, uns dann ins Gesicht zu sagen was dahinter steckt - das klare Wissen des Spielers, daß weder IT noch OT irgendwelche Regressmaßnahmen für derartiges Fehlverhalten greifen, weil in dem Fall ein Verweis vom Con schlicht das Schießen mit Schiffsgeschützen auf Kernschußweite und sehr kleine Singvögel bedeuten würde (daß solche Spieler dann auf ihrerm Laufzettel ein dickes "X" haben, wissen diese nicht, bzw. verstehen sie ja nicht, weil die meist eh nur einmal zu so einer Veranstaltung kommen - wieder ein Pluspunkt für Einladungscons!). Was ich tun kann, ich kann mich aufregen (IT bin ich oft nur der Koch, da kann ich zetern, aber auf mich hört keiner, der "Vorturner", der den Gastgeber gibt, ist nicht notwendigerweise mit meinem breiten Kreuz ausgestattet, um allfällige Grundsatzdiskussionen über "Was ist die Ehre eines Ritters" abzufedern - OT bin ich Orga und SL, kann allerdings auch nichts tun, weil es keinerlei Alternative für die Verpflegung außerhalb des Festsaales gibt). Soziale Kompetenz zeigt sich nicht darin, daß man die Leute massiv reglementieren muß, damit sie bestimmte Normen einhalten, sondern, daß jeder von alleine merkt, wann es an IHM ist, sich zurückzunehmen, um dem gemeinsamen Erlebnis Vorschub zu leisten ...

Was verstehe ich also jetzt in diesem Zusammenhang unter "sozialer Kompetenz"? Eigentlich recht einfach. Ein Verhalten, das darauf angelegt ist, das Miteinander zu fördern, das nicht im Wettstreit um das beste und größte Stück Fleisch endet, sondern das so aussieht, daß am Ende alle die gleichen Anteile an einem großen Festmahl gehabt haben. Die von mir gemachten Erfahrungen haben mich auf jeden Fall völlig vom Motiv des Büffets (also alle Speisen stehen zur freien Verfügung für alle) abkommen lassen und ich führe Festmahle nur noch als servierte Veranstaltungen durch.

Aber es ist ja nicht nur das Essen, bei dem man sich daneben benehmen kann.

Das allgemeine Verhalten lässt im Übrigen genauso zu wünschen übrig. Klartext: Larper benehmen sich oft schlimmer als pubertierende Hamster, wenn sie auf Cons losgelassen werden. Einfachste Verrichtungen, wie das treffsichere Pinkeln oder andere körperliche Ausscheidungen in dafür vorgesehene Behältnisse zu bringen, scheint schwerer als die Verwendung von Wasser und Seife für minimalste Körperhygiene. Nein, ich bin kein Anhänger der Theorie "Wenn wir Mittelalter spielen, muß man auch so stinken!", ich erwarte minimalste hygienische Grundhaltungen bei jedem. Und das fängt ganz besonders auf den Gemeinschaftsräumen, sprich Toiletten und Baderäumen an. Wer den Dreck macht, kann ihn auch wieder wegputzen.

Da wird dann übrigens gerne nach dem Putzdienst gerufen, oder die Beschäftigung einer Zeitarbeitskraft für die Toilettenreinigung gefordert. Damit also der Verursacher weiter seine Körperausscheidungen fleißig über Wände und Türen verteilen kann, lustige Bildchen damit malt, weil es ja dann doch von der türkischen Putze weggemacht wird? Danke, das ist am Problem vorbeigedacht. Setzen und nochmal von vorne anfangen nachzudenken. Reinigungskräfte aller Art sind nicht dazu da, allfällige Ferkeleien von Leuten zu unterstützen, die zu blöd oder besoffen sind um noch zu kapieren, was sie anrichten.

Und allfällige Vorkommnisse bei Großveranstaltungen, bei denen auch schon mal das freiwillige Putzpersonal ein wenig aufgemischt wird, weil es was dagegen hat, wenn der "Held ?" von der Brille herunter Kreise pinkelt, machen mich nicht glücklicher.

Sehr oft wird als Hintergrund derartiger Taten ein zu hoher Alkoholpegel genannt. Tja. Warum ist das so? Da gibt jemand also nicht unerhebliche Beträge aus, um auf einen Con zu kommen (zu den reinen Conkosten kommen ja auch noch indirekte Kosten wie Anfahrt, Essen, Ausrüstung etc. dazu), um sich dann dort die Birne breit und den Körper in die Bewusstlosigkeit zu saufen? Merkwürdig.

Und so gar keinen Spaß macht es mir, wenn ich (als Koch und Maitre de Plaisir einer adligen Dame aus Aturien) nach getaner Arbeit und erfolgreicher Veranstaltung im Garten etwas spazieren gehe, eine Flasche sehr guten Whisky dabei habe und auf die erfolgreiche Feier mit mir selber anstoße, dabei einige Herren aus Scotia treffe, diesen von diesem vorzüglichen Getränk ihrer Heimat anbiete (was soweit noch vollkommen ok ist) um dann am nächsten Morgen, wenn ich am Gesindetisch frühstücke, von ebendiesen Herren angebettelt zu werden ob sie nicht noch mehr von dem guten Tropfen bekommen könnten (auch das soweit zwar merkwürdig, aber noch im Rahmen). Wenn ich dann allerdings in Character mir dieses verbitte, weil, wie man weiß, in zivilisierten Gegenden das Trinken harter Getränke vor Sonnenuntergang nicht statthaft sei und die Spieler (nicht die Charaktere) sich dann hinterher darüber ausmähren, das ich sie OT beleidigt hätte, weil ich sie öffentlich als Alkoholiker darstellen würde, dann, ja, genau dann hört bei mir das mit der Toleranz auf und der gute alte arrogante Sack kommt zum Vorschein, der sich weigert, mit sowas auch nur annähernd das gleiche Hobby zu teilen.

Ich habe beileibe nichts gegen Alkohol auf Cons, ich trinke selber gerne mal was, aber ich finde jegliche Form von Säufergehabe, Wettsaufen, Bewusstlosigkeitstrinken, Reihern, bis der Arzt kommt, oder Rumgeprolle, wie toll man doch sei, weil man saufen könne, als Ausdruck einer gründlich mit der von mir gepflegten Lebensrichtung inkompatiblen Grundeinstellung.

Zusammengefasst kann ich sagen, daß für mich Soziale Kompetenz sich darin zeigt, daß jemand sich so auf sozialen Events (wie ein Larp es ist) verhält, daß seine Lebensäußerungen möglichst wenig andere Leute vor den Kopf stoßen oder derb benachteiligen. Das ist vage und kann auch nicht präzisiert werden, aber ich denke, wenn man drüber nachdenkt, versteht man, was gemeint ist.

FredSchwohl V. 2.0 21.05.2004


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