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Meinung/Charakterdarstellung/GegenredeLarpLandGründung

Gegenrede: Larp Land gründen.

Vorwort

LarpLandGründen ist ein wirklich schön geschriebener Artikel, der einen Ansatz beschreibt, wie man ein Larpland gründen kann. Als Basis gilt das Szenario "mehrere Spieler sitzen zusammen und wollen einen gemeinsamen Hintergrund erschaffen".

Mit dieser Prämisse wird dann ein Larpland geplant. Und zwar von oben nach unten, beginnend mit den geografischen Grenzen, über die Hierarchie bis letztlich hin zu den einzelnen Personen. Die meisten Wissenschaftsspielarten nennen diesen Prozess "top-down". Und wie immer, wenn ein Schlagwort daher kommt, kommt gleich ein zweites, gegensätzliches, in diesem Fall "bottom-up" (nicht zu verwechseln mit der anglophonen Aufforderung zum Leeren eines Glases meist hochprozentigem in einem Zug, "bottoms up!").

Beide Entwurfsprozesse sind nur Schlagworte. Und meist kommen beide Ansätze zu einer vernünftigen Lösung des Problems; Erkenntnisgewinn geschieht vor allem dadurch, daß man beide Wege betrachtet und beide Ansätze zu Teilen benutzt. Also frisch ans Werk...

Bottom-up? Wie denn?

Beginnen wir nochmal mit der Situation "mehrere Spieler sitzen zusammen und wollen einen gemeinsamen Hintergrund erschaffen". Warum wollen sie das? Um eine gemeinsame Verbindung zu haben. An die Leser die Frage: Wieviel habt Ihr gemein mit Leuten aus Eurem Land? Und wieviel mit denen aus Eurem Landkreis/Kanton/whatever? Und wieviel mit denen aus Eurer Stadt oder Eurem Dorf? (An dieser Stelle geht es um geografische Zuordnung, daher sei die viel einfachere Vergleichfrage "wieviel mit denen aus Eurem Freundeskreis?" mal ausgespart).

Damit meine Argumentation schlüssig bleibt, hoffe ich mal, daß jeder hier in meinem Sinne antworten wird: Je näher, desto mehr. Also schlage ich vor, wir entwerfen erstmal einen einzigen Ort. Und schauen dann auf die Verbindugen unserer Charaktere und bauen den Rest nach den Anforderungen der Geschichte.

Ein Beispiel und die Schlüsse daraus

Ach, Karl und Fred kennen sich von diesem Tanz in den Mai, wo sie erst beide mit Rosi getanzt und dann gemeinsam betrunken ihrem neuen Freund aufgelauert und ihm seine ordentliche Tracht Prügel verpaßt haben?

Aha, welche Erkenntnisse gewinnen wir damit von unserem Ausschnitt des Landes, nennen wir es einfach mal "die Gegend"?

  • Die Gegend verfügt entweder über eine so große Stadt, daß die beiden sich vorher nicht kennen konnten
    • oder es gibt mindestens ein Nachbardorf, aus dem einer der beiden kommen kann.
      • ...wo man auch mal weggehen kann, zumindest zu Feierlichkeiten.
  • Es gibt in der Gegend offenbar zumindest einen Feiertag, von dem wir jetzt eine ungefähre Ahnung haben, was dort passiert.
  • unsere Protagonisten sind in einer Gegend, wo man frei an diesem Feiertag mit jungen Damen anbändeln darf.
  • Ein kleines Maß an Gewalt ist offenbar akzeptiert.

Daraus ergeben sich einige weitere Fragen, beispielsweise:

  • Wie steht es mit der Freizügigkeit: Darf man einfach so durch die Gegend wandern und wie wird man in fremden Dörfern aufgenommen?
  • Wieviel Gewalt ist geduldet: War die Prügelei schon riskant? Werden die Jungs jetzt verjagt (warum?), müssen sie irgedwie Buße tun (wie funktioniert das Rechtssystem und wer setzt es durch?), wird das so abgenickt, wäre ein Duell angemessener? Oder gehört ein heimtückischer Mord eher zu den in der Gesellschaft akzeptierten Maßnahmen?

Über diese Fragen kommt man nun zu größeren Bereichen des Aufbaus des Landes. Ein wenig Ausweispflicht hier und wir haben einen faschistischen Überwachungsstaat. Ein wenig weniger Freizügigkeit und wir haben ein sehr erdrückendes Lehnswesen. Eine ein wenig stärker formalisierte Konfliktlösung und wir sind in einer (räumlich eingeengten) Wikingerkultur. Ein bischen weniger Gewalt und wir sind bei naturidentisch abwaschbaren Elfen. Und so weiter.

Natürlich ist die Beispiels-Geschichte sehr kurz. Je nachdem, wie konkret die Hintergründe des Charaktere gestrickt sind, lohnt es sich entweder, erstmal alle auf den Tisch zu legen und dann die Implikationen zu überdenken. Oder erst zwei zu verbinden und den anderen die Möglichkeit zu lassen, aus den sich abzeichnenden Konsequenzen Teile für die eigene Geschichte zu übernehmen.

In letzter Instanz sind wir dann auch bei einem vollständigen Land, wie im Artikel LarpLandGründen. Aber auf einem anderen Weg, auf dem man auch vorher anhalten kann, wenn man mag. Auf diesem gibt es folgende Vor- und Nachteile:

Vor- und Nachteile

Vorteilhaft ist, daß genau die Teile früh geklärt werden, die etwas mit dem Zusammensein der Spielergruppe zu tun haben. Jeder Charakter kann also nicht unbedingt den König seines Landes, die Stärke von dessen Armee und die Hauptexportgüter nennen; auch die Geschichte nicht unbedingt; der Charakter weiß dafür aber umgekehrt, wer zuhause wo wohnt, wie man sich dort verhält und wie es genau möglich war, daß er mit seiner Gruppe zusammengekommen ist. Das mag ein wenig näher an der mittelalterlichen Realität sein.

Vorteilhaft ist ebenfalls, daß nur ein kleiner Zeitabschnitt gezeigt wird: So kann man relativ ein Land als sich jetzt abspaltenden Teil eines anderen anlegen. Ähnliches gilt für den gezeigten geografischen Ausschnitt: Man kann sich, falls man später ein passendes Land findet, das vom Hintergrund paßt, als geografische Region einordnen.

Ambivalent gegenüberstehen kann man der Tatsache, daß am Ende nicht unbedingt herauskommt, was am Anfang Wunschvorstellung war - beispielsweise, weil man irgendwo eine Abbiegung genommen hat, die einfach zu schön war. Aber wenn es dennoch gefällt...

Nachteilig ist, daß bei wenig bescheidenem Vorgehen in der Erzählstruktur alle wichtigen Dinge nur deswegen passiert sind, weil die Spielercharaktere dabei waren. Das muß nicht unbedingt stören, aber für die Interaktion mit anderen Spielern empfiehlt es sich schon, ein gewisses Maß an Bescheidenheit zu zeigen.

Nachteilig ist ebenfalls, daß man in der Lage sein muß, aus Begenbenheiten in der Einstiegsgeschichte Konsequenzen abzuleiten. Das Top-Down-Modell bietet hier gute Leitfragen nach geografischen und sozialen Kriterien, die man abhaken kann.

-- [TobiasPrinz Tierlieb]

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