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PräLarp

Prä-LARP

... oder ein paralleler Weg zum Larp.

Vor Äonen

Vor langer Zeit, lange bevor selbst Fred an Larp dachte, lange bevor Tolkien seine Gefährten erfolgreich nach Moria schickte, träumte man schon davon, selbst in fantastische Welten einzutauchen und mehr zu erleben, als nur Geschichten zu lesen. Zu dieser Zeit war Fantasy kaum jemandem ein Begriff, die Welt war geprägt von Raumfahrt und Technik, Science Fiction wurde langsam zu einem Massenphänomen. Die Fans dieser Literaturgattung kamen aus ihren Lesesesseln und trafen sich weltweit, um sich auszutauschen, zu diskutieren und zu feiern. Mit den Utopien der SF versuchte man Szenarien einer Zukunft zu bauen, die schöner und besser sein sollten, als die Nachkriegsgesellschaft.

Vor diesem Hintergrund war das SF-Fandom dieser Zeit stark politisch geprägt (es ist auch die Prä-APO Zeit), und Diskussionen über Basis-Demokratie, Mitsprache und Anarchie gehörten auf eine jede Convention, wie die Autoren-Lesung und die Preisverleihung.

Aber es gab auch ein paar archaische Helden, die einen schon damals in ihren Bann zogen. Conan hatte mit AMRA eine starke Fanbasis, in der auch viele bekannte Autoren weitere Abenteuer schrieben. Fafhrd und der graue Mausling von Fritz Leiber zogen aus, um Abenteuer zu erleben und den Dieb als Charakterkonzept hoffähig zu machen. Diese archaischen Welten galten in den 60ern als überholt - und vor allem als reaktionär und politisch gefährlich. Davon ließ sich eine kleine Gruppe 1966 auf dem SF-Worldcon in Wien aber nicht abschrecken, sie gründeten eine Gemeinschaft, die satirisch die Grundzüge der SF-Szene polarisierte und sich diese archaischen Welten als organisatorische Grundlage zum Vorbild nahmen. Die Fellowship of the Lords of the Lands of Wonder; oder kurz FoLLoW wurde gegründet - eine Gruppe, die nicht demokratisch, sondern hierarchisch war. Eine Gruppe in der man nicht mitbestimmen durfte, sondern in der man sich erst in die Reihen der "Lords" befördern lassen musste, bevor man etwas zu sagen hatte. Vorbild war der amerikanischen Knights of St. Fantony-Orden eine Art Ritter der Tafelrunde, die im Fandom sehr aktiv waren, aber mit ihren merkwürdigen Zeremonien um Aufnahmen, Titel und Beförderungen auf jeder Convention Aufsehen erregten. Follow sollte auf drei Säulen ruhen:

  • Spiel - Die fantastische Welt Magira sollte durch ein fortlaufendes Strategiespiel namens Armageddon simuliert und seine Geschichte zwischen Krieg und Frieden verschiedener Reiche niedergeschrieben werden (das Spiel wird bis heute kontinuierlich gespielt),
  • Literatur - die Geschichte der Kriege, aber auch einzelner Helden auf Magira werden regelmässig veröffentlicht.
  • Geselligkeit - das ganze sollte immer mit viel Humor und Spaß am Feiern verbunden sein.

Das Konzept Follow war erfolgreicher als gedacht, schnell kamen neue Mitglieder hinzu und schlossen sich den Gründer-Lords an. Es entstanden Clans - kleine Gruppen - die ihr Reich auf der Fantasywelt mit Leben erweckten und sich dabei an realen Erdkulturen orientierten. Anfang der 70er Jahre konnte man die ersten Gewandungen auf Cons gesehen, auch wenn sie damals nur aus einem Umhang Marke Gardinenstoff bestanden.

1972 war wieder ein SF-Worldcon in Europa, diesmal in Heidelberg. Die Mitglieder der Follows waren dabei natürlich auch vertreten und stellten unter anderem ihr Konzept einer strategisch bespielten Fantasywelt in Verbindung mit den Geschichten einzelner Charaktere auf dieser Welt vor. Einer der Besucher des Cons war Gary Gygax, ein bis dato noch unbekannter Spieleentwickler für strategische Kriegsspiele, der von der Idee, eine Geschichte zu erzählen und dabei "Figuren" würfeln zu lassen, mehr als fasziniert war. Was daraus wurde, ist eine echte Fandom-Legende, aber vielleicht wurde damals eine kleine Grundlage für eine bahnbrechende Idee gelegt.

Der Weg zur Darstellung

Aber auch die Simulation außerhalb der Spielplatte nahm bei Follow einen größeren Raum ein, es wurden nicht mehr nur Beförderungen und Aufnahmen "ausgespielt", sondern auch Friedensverträge, Ehrungen oder andere Szenen, die auf Magira spielten, wurden umgesetzt und in Form eines Improvisationstheaters dargestellt. Die "Zeremonien" wurden fester Bestandteil einer jeden Follow-Convention.

Nach einem Amerika-Studium brachte eines der Follow-Mitglieder ein neues Spielkonzept zurück nach Deutschland: D&D und das Konkurenzprodukt "Empires". Letzteres setzte sich in der damaligen Runde durch, da es weniger Hack&Slay war und mehr Wert auf Charakterentwicklung und Storytelling legte. Nach kurzer Entwicklungszeit passte man die Regeln an und "Empires of Magira"; war geboren. Die Simulation der Fantasy-Welt hatte eine neue Facette gewonnen, denn nun konnten nicht nur die grossen Kriege erlebt, sondern auch die Abenteuer einer kleinen Heldengruppe nachgespielt werden. Die Entwicklungen an den Regeln gingen weiter und wurden mit Midgard auch zu einem der ersten kommerziellen deutschen Rollenspiele (Die Karte in ganz alten Midgardausgaben ist noch die Magirakarte).

Anfang 80er Jahre kam eine neue Ideen in der Simulation hinzu: Der "Fantasy-Marsch" wurde erfunden. In Gewandung zog man gruppenweise in den Wald, lief eine Strecke ab und traf dabei auf Streckenposten, die der Gruppe Aufgaben stellten. Eine Art Fantasy-Schnitzeljagd, bei der aber die Interaktion zwischen Gruppe und Streckenposten mehr oder weniger IT ausgespielt wurde.

Etwas später kam der "Magira-Markt" hinzu, bei dem alle Clans sich kulturell präsentierten und typische Handelswaren oder Speisen ihrer Kultur anboten. Auch auf dem Markt wurde die Interaktion ausgespielt und das Ambiente eines mittelalterlichen Marktes zog ein. Follow hörte ebenfalls aus Amerika von dem Begriff Live-Rollenspiel. Die Szene war immer noch sehr klein und man kannte sich untereinander. Das Briefrollenspiel, das Fred in seinem Artikel erwähnt, ist die Briefspielvariante von Armageddon, und Markus Hailer war zu der Zeit auch Mitglied in Follow.

Ein Zwischenspiel

1989 wurde der Fantasymarsch auf einem kleinen Con durch ein Larp ersetzt. Die beim Marsch vorgegebene Strecke wurde aufgelöst, aus den Streckenposten wurden NSCs und ein Plot für einen Nachmittag geschrieben. Mangels Funkgeräten, aber wegen recht großem Gelände radelte die SL auf Mountainbikes zwischen NSC und Gruppe umher, und Kämpfe wurden - mangels Schaumgummi-Waffen - ausgewürfelt (um sie danach spektakulär auszuspielen). Das erste Live-Rollenspiel blieb aber erst einmal ohne weitere Wirkung in Follow. Anfang der 90er wurde von Michael Behr eine zweitägige Larp-Kampagne im Rahmen des "Festes der Fantasy" (dem Jahrestreffen Follows) organisiert, immer noch ohne Funken, aber diesmal mit Pompfen und ca. 60 Teilnehmern. Den Teilnehmern hat dieses Spiel viel Spaß gemacht, aber Follow zeigte sich als zu konservativ in seinen Strukturen, um diesen Ideen Platz zu gönnen und man blieb bei dem was man kannte. Das Larp innerhalb Follows verstarb wieder. Angesteckt von dem Gebotenen zogen die ersten Follower aus, auch Erfahrungen im Larp zu machen und kehrten zum Teil enttäuscht zurück. Die Welt Magira war bunt und detailreich, während die damaligen Larp-Welten noch sehr austauschbar und ohne jede Tiefe waren, zu dem war man als Follower gewohnt, in erster Linie die friedlichen Aspekte zu simulieren und weniger sportliche Schwertkämpfe zu bestreiten. Aber es gab auch einige, die beide Schienen weiterverfolgten und aufmerksam das Geschehen auf der anderen Seite des Gartenzauns beobachteten.

V1.0 AlexJahnke


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