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Meinung/Sozialverhalten/SchwarzeListen

Schwarze Listen

Ab und zu wird im Zusammenhang mit besonders spektakulären Fällen von Pappnasentum oder OT-Aggressivität gefordert, "die LARP-Szene" solle eine schwarze Liste einrichten, in der man für Orgas zugreifbar Gewalttäter oder schlimme Schummler oder dergleichen eintragen kann.

In einem Fall im Mai 2000 hat angeblich ein Spieler auf einem Con im Streit einen echten Dolch gezückt. Der genaue Sachverhalt ließ sich von den Lesern der LarpMailingList damals nicht zweifelsfrei überprüfen. Kurz darauf ging eine Ketten-Mail durch die Szene, in der empfohlen wurde, drei Personen von Cons auszuschließen, nämlich den betreffenden Spieler und zwei Personen, die diesen lediglich regelmäßig begleiten.

Alle Entrüstung über solche Vorfälle in Ehren, aber wer zieht da die Grenze? Ich habe kein Problem damit, daß Veranstalter für sich selbst schwarze Listen führen. Selbstverständlich soll jeder selbst entscheiden können, wen er auf seinem Con haben will.

Wenn Veranstalter diese Listen auszutauschen beginnen, fängt es langsam an, haarig zu werden. Wer kontrolliert die Kriterien, nach denen jemand auf die Liste kommt? Kommt man von der Liste nach einer Frist des Wohlverhaltens wieder 'runter? Wer überprüft die Vorfälle?

Wenn solche Listen auf Zuruf via Ketten-E-Mail gepflegt werden, dann habe ich da ein Problem mit.

Dieses Thema hat sehr viel mit meinem Beruf zu tun. Ich arbeite als Statistiker bei der SCHUFA. Wir verwalten auch so etwas wie eine schwarze Liste und unterliegen zu Recht entsprechenden Richtlinien.

Im Grundsatz hätte ich ja auch zumindest bei wiederholt gewalttätigen Spielern gar nichts dagegen, daß versucht wird, sie zu kontrollieren. Ich bin sehr wohl der Meinung, daß Leute, die sich gewalttätig verhalten, mit geeigneten Mitteln an ihrem Tun gehindert werden sollten, bzw. im Ernstfall zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Dennoch halte auch ich das öffentliche Anprangern in einer schwarzen Liste für ein völlig unangemessenes und ungeeignetes Mittel.

Schon allein deshalb, weil die Information hier ziemlich sinnlos, weil unüberprüfbar, ist. Wenn ich aber bei der jeweiligen SL (und möglichst noch bei anderen Besuchern des Cons) nachforschen muß, dann kann ich auch die Namen direkt dort erfahren.

Die Frage ist auch: wer verwaltet eine schwarze Liste und wem wird sie auf welchen Wegen zugänglich gemacht. Außerdem müssen m.M.n. die Kriterien, nach denen jemand auf diese Liste kommt, sehr genau definiert und objektiv überprüfbar sein. Nicht zuletzt muß geregelt sein, ob, wie und wann man von dieser Liste wieder gelöscht wird.

Es geht hier um die Speicherung und Weitergabe personenbezogener Daten, noch dazu mit einer Zweckbindung, die eine schwere Benachteiligung der Betroffenen bedeutet. Das ist keine Bagatelle. Dafür muß es saubere Verfahren geben, um Mißbrauch, Irrtum und Unverhältnismäßigkeit auszuschließen.

Wenn Institutionen wie mein Arbeitgeber oder Direktmarketingfirmen solche oder ähnliche Listen führen, wird jeder mißtrauisch und schreit nach Datenschutz. Sogar das KBA und das Strafregister unterliegen, soweit ich weiß, Löschfristen.

Und hier wird auf einmal gutgeheißen, daß eine völlig undefinierte Menge von Personen eine völlig schwammig definierte Liste von "unliebsamen" Personen öffentlich zusammentragen soll?

Der zitierte Fall zeigt doch schon einige der Gefahren auf. Ich will nicht im Detail darauf eingehen, aber die "Sippenhaft" ist auf jeden Fall mehr als bedenklich.

Es gäbe wohl Wege, eine solche Liste auch mit Rücksicht auf den Datenschutz einzurichten (Prüfung des berechtigten Interesses, etc.), aber das würde einen Organisationsgrad erfordern, den ich der Szene nicht zutraue. Mir ist klar, daß die Szene für eine wohlorganisierte, mit dem Datenschutz vereinbare schwarze Liste sicherlich zu klein und zu unorganisiert ist. Sowas wie der damalige Kettenbrief ist aber in meinen Augen kein akzeptabler Ersatz dafür.

Ich verstehe das Sicherheitsbedürfnis aber die zentrale Frage ist hier: "Quis custodiet ipsos custodes?" (Lat. "Wer bewacht die Wächter?").

RalfHüls (Ursprünglich von 2002)