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Meinung/Spielphilosophie/GewinnenWollen

Gewinnen wollen

Posing ist im LARP wichtiger als gewinnen! Auch ein gut gespielter epischer Fehlschlag kann ein Sieg für den Spieler sein.

Wer LARPt, um zu andere Spieler zu "besiegen", ist suspekt. Ebenso, wer LARPt, um als Charakter besonders wichtig oder mächtig zu sein oder zu werden. Siehe dazu auch GewinnerTypen. Es gibt Anzeichen dafür, daß gewinnen wollen häufig direkt oder indirekt zu verschiedenen anderen Streitpunkten und Problemfällen erheblich beiträgt. Welche das im Einzelnen sind, ist natürlich seinerseits wieder umstritten.

Der Ehrgeiz des Rollenspielers sollte sich darauf richten, eine Rolle gut zu verkörpern, nicht darauf, eine "gute" Rolle abzubekommen. Andernfalls birgt der Ehrgeiz die Gefahr, das Spiel negativ zu beeinträchtigen. Ehrgeiz ist eine Sache, bei der die Trennung zwischen Spieler und Charakter enorm wichtig ist.

Ich meine hier nicht den Ehrgeiz des Spielers, einen Plot oder ein Rätsel zu lösen (auch wenn ich selbst nicht der große Plotjäger bin). Es geht mir um den Ehrgeiz, besser da zu stehen, als andere Spieler. Mir gefällt LARP oft nicht, wenn es ein Wettkampf unter den Spielern ist. Der "Wettkampf" gegen die SL und die von ihr gestellten Aufgaben ist noch etwas Anderes. Der Wettkampf zwischen Charakteren auch. Klar können und sollen Charaktere Ziele haben und gar ehrgeizig sein. Man sollte nur nicht allzuviel des eigenen Herzblutes als Spieler an diese Ziele hängen, sonst läuft man IMHO Gefahr, mit OT-Mitteln nachzuhelfen. Und gerade das wissentliche Ausnutzen von OT-Informationen ist häufig ein Indiz dafür, daß der Spieler zu sehr gewinnen will.

Nebenbei bemerkt ist ein Charakterkonzept, das hauptsächlich an einem Ziel hängt, mit Erreichen des Ziels auch abgefrühstückt. Wenn Wile E. Coyote den Roadrunner erwischt, ist die Serie zuende ;-) Das sollte man ggf. auch beachten.

Und schließlich kann man auch mit nicht-ehrgeizigen Rollen durchaus Erfolge als Spieler erzielen. Es ist vielleicht einfach die Frage, ob man eher ergebnisorientiert oder eher spiel- bzw. erlebnisorientiert denkt. Bei unserem Hobby geht es letztlich darum, eine Rolle zu spielen und es gibt keinen Grund, warum das immer nur Rollen sein müssen, die IT wichtig sind. Bestätigung erntet man jedenfalls auch mit einer unbedeutenden Rolle. Es ist schmeichelhafter, als "Inbegriff des Kammerdieners" gelobt zu werden, als als fünfzigster Graf Koks von der Gasanstalt übersehen zu werden.

Es ist allemal wichtiger, möglichst gutes Spiel hinzulegen, als ausgerechnet in einer Phantasiewelt erfolgreich zu sein. Auch BauerGamer haben Spaß am Spiel.


Seit ich diesen Text im Jahre 2003 ursprünglich schrieb, ist das "Gewinnen wollen" zu einem Schlagwort geworden. In den LarpForen kommt es vor, daß sich jeweils beide Parteien eines Flamewars den Link gegenseitig um die Ohren hauen.

  • "Ihr seid Gewinnenwoller"
    "Nein, Ihr werft uns nur vor, wir seien Gewinnenwoller, weil Ihr gewinnen wollt"
    "Wenn ihr nicht gewinnen wolltet, würde es Euch ja nicht stören, daß jemand Anderes gewinnen will!"

  • ..ad nauseam

Ein Forums-Teilnehmer spricht hier gar von einem fanatischen Kult, der um das Wort "Gewinnenwollen" betrieben werde und einer aufkommenden Spielkultur, in der der Verlierer grundsätzlich als der bessere Spieler gelte. Dazu ist zu sagen, daß der Text sich mitnichten gegen jegliche Form des wettkampforientierten Spiels und insbesondere nicht gegen den Wunsch, im Spiel eine bewaffnete Auseinandersetzung zu gewinnen, richtet.

Es heißt oben "auch ein gut gespielter epischer Fehlschlag ist ein Sieg für den Spieler," nicht aber etwa "nur ein gut gespielter epischer Fehlschlag ist ein Sieg für den Spieler". Und es ist auch nicht unüblich, daß auf dem Con das Gewinnenwollen im Vordergrund stehen kann, dabei aber die Trennung zwischen Charakter und Spieler nicht gemindert wird. Der Erfolg der Rolle steht im Vordergrund, aber ein Erfolg der Rolle ist auch ein Erfolg für den Spieler. Wenn man entspannt an die Sache geht, sorgt der Einsatz der Spieler für den Erfolg, das Gewinnen, seltenst für böses Blut das länger als drei Tage anhält. Insgesamt richtet sich der Text daher nur gegen Leute oder Konzepte, bei denen der OT-Ehrgeiz so sehr die oberste Triebfeder im Spiel ist, daß das Spiel darunter leidet. Daß heißt nicht, daß jeder OT-Ehrgeiz verachtenswert ist. Es gibt auch Spiele mit erklärt wettkampforientierter Spielweise und bei einvernehmlichem Wettkampf ist gewinnen wollen sogar erste Bürgerpflicht, da ein spannender Wettkampf eben zwingend darauf beruht, daß alle gewinnen wollen. Wer wie ich das Pech hatte, das Fußballspiel Deutschland gegen Österreich in Gijon am 25.06.1982 am TV verfolgen zu wollen, wird sich erinnern, wie unerfreulich das Gegenteil ist.

Man könnte sagen, dass man sich - wie in allen anderen Spielen auch - fair und ehrenhaft verhalten sollte; man darf durchaus alles in der Macht des Charakters stehende tun, um in einem Kampf o. ä. zu siegen aber keinesfalls mit den OT-Fähigkeiten oder dem OT-Wissen des Spielers nachhelfen oder sich in anderer Weise unfair verhalten!

Daß man nicht um jeden Preis gewinnen wollen soll, impliziert nicht, daß man stets verlieren wollen muß. Es kann aber nicht schaden, wenn man ab und zu auch ein Scheitern seines Charakters als Option ins Auge fasst.

--RalfHüls, mit Input von GregorLindner, Julix und Goras, DietrichGüntherr, 2003-2015


Siehe auch Themenseite LarpKampf


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