Das sechste Tao: Plots und Improvisation
Der Schüler sagte zu dem Meister:
Ich habe viel gelernt, in Zukunft werde ich das alles beachten. Bin ich nun erleuchtet?
Der Meister sagte nur:
Der Farben Vielfalt blendet die Augen. Der Töne Fülle betäubt das Gehör. Der Gewürze Reichtum lähmt den Geschmack. Der Leidenschaften Drang verwirrt das Herz. Die Gier nach schwer Erreichbarem zerstört die Sitten. Der Weise, von seinem Inneren geleitet, bestimmt seiner Sinne Grenzen. Alles Sinnliche ist ihm auch nur ein Weg zum Sinn.
Du wirst niemals die Erleuchtung erlangen, wenn du dir nicht genug Gedanken über deinen Plot gemacht hast.
Der Schüler antwortete:
Oh Meister, das habe ich. Ich habe einen Plot von märchenhafter Komplexität. Ich habe auch die Reihenfolge der Ereignisse genau in meinem 300 Seiten starken Plotbuch vermerkt. Alle Hinweise sind einmal vorhanden und gut verborgen, um den Spielern eine Herausforderung zu bieten.
Der Meister sprach leise:
So bedenke, dass die Spieler viele deiner Plotdetails dann überhaupt nicht finden, dass sie eventuell überhaupt keine Hinweise haben, was sie als nächstes machen sollen.
Weil dein Plot so komplex ist und jeder nur ein paar vage Hinweise gefunden hat, wird niemand den Zusammenhang verstehen. Wichtige Informationen und Gegenstände, die nur einmal vorhanden sind, werden nicht gefunden, gehen verloren, oder die benötigten Leute mit den Informationen schlafen zum benötigten Zeitpunkt im Zelt oder sind aus anderen Gründen nicht am Ort des Geschehens.
Lösungen, welche die Spieler erspielen, solltest du zulassen, auch wenn es so nicht in deinem Plotbuch steht. Generell werden die Spieler ganz andere Lösungen finden und deinen Plot ganz anderes verstehen, als du in deinem Plotbuch geplant hast. Das solltest du nicht zu Gunsten deines Plans ersticken, sondern deinen Plan an die Lösungen der Spieler anpassen.
Der Schüler antwortete:
Aber Meister, mein wunderbarer Plot ... ich habe doch jetzt mein Plotbuch sogar schon auf 400 Seiten erweitert.
So kam es, dass auf dem Con des Schülers am zweiten Tag der Veranstaltung eine Tür aus dem Nichts erschien. Dies war wenig nachvollziehbar für alle, aber die NSC-Bewohner des Schlosses nahmen es gelassen – dergleichen passierte bei ihnen wohl oft –, und es interessierte sie auch nicht weiter, außer, dass sie den ganzen Fremden davon erzählten.
Ein Zwerg vermutete Reichtümer hinter der Tür und versuchte, sie mit zwergischen Methoden zu öffnen; dies wurde nicht zugelassen, da es so nicht im Plotbuch stand. Also wurde der Schlosser geholt, die Tür zu öffnen, aber auch dies gelang nicht so recht, denn auch dies stand so nicht im Plotbuch. Weitere kreative Lösungen funktionierten ebensowenig, und einzig der Schlüssel, der am Nachmittag jenen Tages auftauchte, in einem Raum, der vorher schon Stunden und Stunden untersucht worden war, öffnete die Tür: genau zu dem Zeitpunkt, der im Plotbuch stand.
In dem Zimmer dahinter, und nur dort, befanden sich alle plotrelevanten Informationen. Außerdem fand ein Abenteurer dort das Siegel, welches die Gruft öffnete, um den Engel zu befreien, welcher dann als einziger den Dämon besiegen konnte. Leider verlor der Abenteurer das nur münzgroße Siegel bei einem seiner Kämpfe im Wald, und es wurde nicht wieder gefunden. Der Mechanismus zum Öffnen der Gruft war aber mechanisch genau auf diesen Gegenstand ausgelegt; so konnte die Gruft nicht geöffnet werden, der Engel wurde nicht befreit, und alle Charaktere wurden von dem Dämon getötet.
Exegese
Halte die Plots so einfach, das die Spieler die Gedanken dahinter nachvollziehen können.
Verteile alle wesentlichen Informationen mehrfach, auch über verschiedene Medien.
Halte wichtige (entscheidende) Gegenstände mehrfach bereit.
Würge kreative Spieleraktionen und -lösungen niemals zu Gunsten des Plotbuches ab.
Biete immer Möglichkeiten, im Plot weiter zu kommen, neue Informationen zu sammeln.
Es sollte immer relativ klar sein, was als nächstes zu tun ist.
Biete Spielmöglichkeiten für alle verschiedenen Klassen.