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Meinung/Sozialverhalten/Matthäus7-3

Kehr vor Deiner eigenen Tür

  • Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, doch den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr? --Matthäus 7.3

    And so, my fellow Americans: ask not what your country can do for you - ask what you can do for your country. --John Fitzgerald Kennedy

LARPer*innen befassen sich viel zu viel mit den Fehlern der jeweils anderen LARPer*innen.

Neulich gab es in einem Larp-Forum eine Diskussion darüber, wie man mit dem Verdacht umgehen solle, jemand halte sich nicht an die Regeln und es wurde die Ansicht vertreten, man solle die Situation erst einmal durchspielen und dann zur Spielleitung gehen, um herauszufinden, "ob der das darf". Diesen Ansatz verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Wenn doch die Situation durchgespielt wurde (und ich gehe mal davon aus, daß damit zu 90% ein gangbarer Kompromiß gefunden sein dürfte), welchen Sinn hat es dann noch, nachträglich zur SL zu rennen? Die Fälle, in denen das Ergebnis tatsächlich eines ist, mit dem nicht alle Beteiligten auch leben könnten, sind doch eher selten. Also kann man auch mal zurückstecken und mit dem Ergebnis weiterspielen, auch wenn es vielleicht nicht völlig regelkonform war. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Situation ohnehin ein Mißverständnis, bei dem sich beide Seiten im Recht glauben.

Was kümmert es Die Leute eigentlich überhaupt, wie andere mit den Regeln umgehen? Diese ganzen Typen, die meinen, die Welt vor den Regelficker-Scheißhausideen schützen zu müssen, die sie selber ausgeheckt haben. Die sitzen den ganzen Tag zu Hause und denken sich Wege aus, wie man schummeln könnte, oder wo die Regeln ungenau oder ungerecht sind, um dann darüber zu diskutieren, wie man die Regeln abdichten kann. Das Ergebnis sind dann diese Hölzken-auf's-Stöcksken-Debatten in den LarpForen, was jetzt alles Pappnasig ist, oder IT sein darf, oder auf welchen Mißstand die SL doch mal hinweisen sollte. "Aber es könnte ja eine auf die Idee kommen und...." NEIN! NICHT, WENN SIE NICHT GENAUSO EINE BEHÄMMERTER SOZIALVERSAGER*IN IST, WIE DU! Es zeigt sich allenthalben, daß die größten Kontrollfreaks meist die sind, die selber ohne die Kontrolle über die Strenge schlagen. Mir hat allen Ernstes mal einer gesagt: "Ich will klare, detaillierte Regeln, weil ich will, daß das Spiel jemanden verträgt, wie mich" (Gut, das war ein Postspieler und keine LARPerin, aber das Prinzip ist dasselbe).

Und wenn nun jemand schummelt? Und wenn nun jemand im Kampf nicht umfällt? Und wenn nun jemand OT-Wissen nutzt? Und wenn nun jemand eine Fertigkeit einsetzt, die sie nicht haben dürfte? Und wenn nun jemand die Regeln um einen Deut anders verstanden hat? Und wenn sie nun ein Alukettenhemd oder einen PU-Helm hat? Na bitte, was soll's denn? Man frage sich zunächst mal: hat überhaupt jemand anders einen Nachteil davon? Natürlich, es mag streng genommen "unfair" sein, aber sein wir doch ehrlich: ist es nicht meistens nur die eigene Eitelkeit, die Schaden nimmt?

Welchen Nachteil hat man denn wirklich davon, wenn drei Plätze weiter in der Schlachtreihe jemand nicht umfällt? Wäre das eigene Spiel der Verwundung mit den Heilern irgendwie anders, wenn die auch umfiele? Warum stört es, wenn Tha'alaranuviel auf "Gemetzel 7" wieder auftaucht, obwohl T'hrock sie doch auf "Arsch auf Grundeis 5 - The Reckoning" ganz sicher abgelegt hatte? Ist das für einen selber anders, als wenn sie dort überlebt hätte? Zumal, wenn man selber gar nicht auf "AaG5" war? Wer hat wirklich einen Schaden, wenn "Acht Kostbarkeiten" am Telefon wiederbelebt wurde? Ist das wirklich für das eigene Spiel etwas anderes, als wenn der ein tolles Ritual auf einem Con gemacht hätte, das man selbst nicht besucht hat?

Manche Sorten des Gewandungsnazis haben ähnliche Sorgen. Es ist eine Sache, Spaß an guten Kostümen zu haben oder in LarpForen anderen Spieler*innen Tipps zu geben, aber manch eine nutzt die Gelegenheit, sich gerade mal um einen kleinen Schritt über dem Durchschnitt zu wähnen, gleich dazu, auf diesen herabzublicken, zu lästern, und verbindliche Mindeststandards zu fordern.

Hör auf, immer nach den Anderen zu schielen. Guck erstmal, was Du selber noch verbessern kannst. Spielst Du jeden Treffer richtig aus? Bist Du nie zufällig gerade auf die Seite des Zeltplatzes spaziert, an dem eben noch die NSCs mit gekreuzten Armen im Wald verschwunden sind? Ist Dein Gambeson wirklich auf dem Teppich von Bayeux abgebildet? Kennst Du wirklich die Hausregel, die die Regel über astralen Schaden gegen Leder-Schuppenpanzer modifiziert, genau auswendig?

Frage Dich nicht, wie die Regeln oder die SL oder Kostümstandards das Spiel der Anderen verbessern können, frage Dich, wie Du Dein eigenes Spiel verbessern kannst.

--RalfHüls, 2006-04-06


Siehe LARPer sind doof, Locker bleiben, Sozialverhalten, Spieler ignorieren


Kategorie/Meinung