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Meinung/Charaktertod/Todesgefahr

Wer sich in Gefahr begibt, muß darin umkommen wollen?

Gerne wird unterstellt, daß jemand, der an einer LARP-Schlacht teilnimmt, gefälligst auch den Tod seines Charakters in Kauf nehmen muß.

Wenn nun aber einer Figuren wie Lt. Col. Kilgore spielen will? Wer bin ich, ihm das zu verbieten?

  • "Well, he wasn't a bad officer, I guess. He loved his boys and you felt safe with him. He was one of those guys that had that weird light around him. You just knew he wasn't gonna get so much as a scratch here."

    • Cpt. Willard (Martin Sheen) über Lt. Col. Kilgore (Robert Duvall), Apocalypse Now, 1979

Kilgore ist der Kommandant der Hubschrauberstaffel, der im Fim Apocalypse Now den Strand freibomben läßt, um surfen zu können. Dem Zitat zufolge ist er ein Typ, der mit Todesverachtung durch den Krieg marschieren kann, ohne was abzubekommen.

Coolness, Charisma, Glück, wie auch immer: Survivor-Typen sind ein literarisches Klischee. Was nun, wenn ein LARP-Spieler so einen Charakter spielen will? Ein solcher Spieler würde eben nicht, wie es meist unterstellt wird, in einen Kampf gehen, und dabei gerne in Kauf nehmen, daß sein Charakter umkommt.

Ob man das gutheißt, ist keine Frage des guten oder schlechten Rollenspiels, sondern ein Frage des bevorzugten Spielstils.

Wenn man eine "realistische", "konsequente" und "wettkampforientierte" Spielwelt möchte, dann ist dieses Konzept natürlich völlig daneben, weil nur die wirklich Harten in den Garten kommen. Das ist auch völlig akzeptabel, aber es ist nicht die einzig denkbare Spielweise.

Manche Leute pfeifen auf den "Realismus" und bevorzugen eine etwas "literarischere" oder "theatralischere" Spielweise. Völlig stringent durchexerzierte "Logik" oder "Konsequenz" sind egal, solange halbwegs glaubhafte Klischees dargestellt werden und alle eine gute Show bekommen.

Gerne wird hier erwidert, daß man sich den Respekt eines Haudegens dann eben auch dadurch erwerben soll, daß man den Survivor-Status "ordentlich" erspielt. Es geht mir aber gar nicht um den Respekt. Man nehme von mir aus das andere Beispiel eines gottbehüteten Trottels, der immer in die Gefahr stolpert, und jedes Mal durchkommt. Auch ein Klischee, wo der Spieler in eine Schlacht geht, ohne daß der Charakter sterben soll. Und bewundern muß man ihn nicht. Es geht nicht um Heldenverehrung. Vielleicht gönnen wir ihm ja einfach, daß er eines der genannten Klischees spielt. Die erwähnte "Heldenverehrung" geht immer noch davon aus, daß das Spiel ein Wettkampf ist.

Ich meine hier keine Spieler, die es unbedingt brauchen, immer der Sieger zu sein. Die nerven auch mich. Ich rede von Charakteren, die einem bestimmten Typus entsprechen. Unter Umständen kann der Unterschied natürlich schwer zu erkennen sein ;-)

Ob ich einen profilierungssüchtigen Spieler oder einen gut gespielten Survivor vor mir habe, würde ich u.A. am Stil des Cons festmachen. Ist der Con ein "realistischer", "Wettkampforientierter", habe ich es wohl eher mit einem OT-Poser zu tun. Ist der Con eher "kooperativ" und "cinematic", ist es schon wahrscheinlicher, daß es nur um Darstellung eines Typus geht.

Das PnP-Regelbuch GURPS Swashbucklers unterscheidet die Spielweisen "realistic" und "cinematic". In Ersterer können die Charaktere nur ganz normale Fertigkeiten, in letzterer können sie mit der Degenspitze Schlösser öffnen und ähnlichen Zorro-Kram.

So ähnlich ist das mit dem "Realismus" im LARP. Kann nett sein, ist aber nicht sooo zwingend Voraussetzung, wie viele anzunehmen scheinen.

Klar kann alles aus meinen Beispielen auch schlecht dargestellt sein und in einer darstellerischen Katastrophe enden. Es kann aber auch klappen.

Meine Beispiele sollten nur dazu dienen, zu verdeutlichen, daß es durchaus Situationen geben kann, wo jemand in einen Kampf geht, ohne davon auszugehen, daß die IT-Todesgefahr gleich eine OT-Gefahr bedeutet, den Charakter zu verlieren. Und daß das bestenfalls dann zwangsläufig Scheiße ist, wenn man einen Wettkampforientierten Spielstil pflegt.

Wichtig ist natürlich nur mal wieder, daß man sich vor dem Spiel darüber im Klaren ist, mit welchen Stilrichtungen man zu rechnen hat und auf welche vom eigenen Ideal abweichenden Stile man sich einlassen kann bzw. will.

-- RalfHüls, 12.10.2003


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