== Lebkuchen und Gewürzkekse ==
Lebkuchen, wer kennt sie nicht die köstlichen Vertreter des Backwerks mit Gewürzen.
Aber wie sind sie entstanden?
Zuerst einmal muß man unterscheiden in die traditionellen Lebzelten, den eigentlichen Lebkuchen, in die Gewürzkekse, zu denen auch die Pfefferkuchen gehören und in verschiedene Seitenprodukte die ich unter Sonstige zusammenfasse.
Beginnen wir mit der Geschichte der Gewürzkekse.
Dazu poste ich am Besten eine kleine Abhandlung die ich zu diesem Theam in meiner Mailingliste gepostet habe:
Kekse sind alt! Älter als man annimmt. Aber was sind Kekse und
Plätzchen?
Der Brauch ein Gemisch von Honig, Gerstenmehl und Gewürzen auf heiße
Steine zu streichen kam aus Mesopotamien, und ist schon auf alten
Keilschrifttafeln als spezielles "Gebäck" erwähnt. Dürfte also rund
3 - 4000 Jahre alt sein. Was anderes sind Plätzchen nämlich nicht.
Perser und Araber haben verwandte Bräuche dann übernommen und sicher
auch weiterentwickelt - ich habe im Moment meine beiden Spezialisten
für früh-persische und Sumerische Geschichte nicht griffbereit, daher
kommen diese Quellen etwas später. Herodot schreibt auf jeden Fall von
persischen Festmahlen und davon, das jene bevorzugt aus "bellaria"
bestehen was nichts anderes als die erwähnten Honigkuchen sind (und
sonstige Süßigkeiten, die hier jetzt nicht hingehören wie kandierte
Blüten, Obst, Gewürze).
Mit den Gewürzhändlern ist der Brauch dann aus Arabien nach Europa
gebracht worden. Er wurde dort besonders in Venedig, und etwas später
in Nürnberg weiterentwickelt (N. war wärend des gesamten Mittelalters
die Gewürzhochburg nördlich der Alpen).
Fast überall war der Lebzelten kein Gebäck, sondern primär Medizin
(lt. Humoraltheorie sind viele der Gewürze warm und trocken und damit
gut gegen feuchte Fieber). Er wurde also auch nicht zuhause gebacken
(selbst in herrschaftlichen Küchen nicht!) sondern beim Apothecarius
zusammen mit den Gewürzen erworben. Daher fehlen aus der frühen Zeit
selbstverständlich Rezepte in Kochbüchern, selbst aus
hochherrschaftlichen Küchen.
Dies ändert sich erst später, mit Aufkommen einer "aufgeklärteren
Sichtweise". Aber noch Nostradamus schreibt im 16. Jhdt, das Lebzelten
und Gewürzcondimente besser in der Apotheke erworben werden (in einem
von mir heftig gesuchten Werk über "Condimenten und Marzepane" von dem
ich nur Sekundärzitate kenne und irgendwo ein Titelblatt habe).
Honig ist nach Plinius ein "Labsal des Leibes" welches für hohes Alter
sorge (Democrites sagt: "Exterioria oleo, interioria melle irriga -
Brauch auswendig Öl und inwendig Honig!" auf die Frage wie man sehr
alt werde.
Galen hält Honig für ein Mittel die Unreinheiten aus dem Körper zu
spülen und denselben zu nähren, verbietet ihn aber Cholerikern und
Gallekranken (- ziemlich moderne Ansichten für seine Zeit um 200
n.Chr., oder?).
Andere Gewürze sind ebenfalls als Heilmittel angesehen und daher ist
die Mischung dann wohl auch besonders heilkräftig. Also eher
Medikament denn Nahrung. Das ändert sich wenig bis ins 14./15. Jhdt.
Später werden Lebzelten (auch als Weiße Lebzelten bekannt, wegen des
hohen Mandelanteils) gerne als Armenspeisung und zur Feier besonderer
Ereignisse an das Volk verteilt. Also zum Besuch des Kaisers, wenn der
Papst zum Heiligen Jahr rief, der Reichstag zusammentrat oder eine
festliche Hochzeit zu begehen war, etc. Schon daraus erkennt man
welcher Schicht diese Speise zuzuordnen war. Und da eigentlich nur die
Rezepte dieser Schicht überliefert sind.... Es dürfte wenig Material
geben in den vorhandenen Büchern.
Ausser vielleicht in Klosterkochbüchern (es wundert daher nicht, das
sich unter den wenigen Quellen Klosterkochbücher vermehrt finden
lassen - ich würde da auch zuerst suchen). Die Mönche spezialisieren
sich schon früh auch auf Krankenpflege und nicht nur für ihre eigenen
Mitbrüder.
Der Brauch verzierte Oblaten, also Waffeln zu backen stammt aus dem
frühen 15. Jhdt. Zuerst in der Kirche verwendet sind sie bald auch in
Haushalten anzufinden (ich hab mittlerweile 5 solcher Oblateneisen -
mal sehen wie die Ergebnisse werden, im Sommer wird getestet). In
einer Welt ohne richtige Backöfen in den meisten bürgerlichen
Haushalten ist das die einzige Methode (neben der alten "heißen
Platte") zum Herstellen derartiger Gebäckarten.
Unsere Kekse und Plätzchen sind allesamt neueren Datums, stammen also
frühestens aus dem 18. Jhdt. Trotzdem ist der Gewürzkeks insgesamt
eines der ältesten Gebäcke der Welt.
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Inzwischen habe ich meine Assyriologen und Altertumsspezialisten
befragt und dabei kam dann noch folgendes an Info dazu
(enthält jetzt nicht nur Infos zu den Keksen, sondern allgemein zum
Thema "Essen in der Frühzeit" - es ist unglaublich wie so ein
Wissenschaftler anfängt zu sprudeln, wenn man ihn auf sein Fachgebiet
anspricht):
Im alten Sumer hieß das erwähnte Gebäck ba-ba-za, bei den Hethitern
und Babyloniern die akkadisch sprachen nannte man es pappasuu.
Gemeinsam waren allen diesen Formen die Basiszutaten - Gerstenmehl
oder auch Gerstenschrot (also Rollgerste)-
(diese bildete auch zusammen mit Gerstenschrot und Essig eine Basis
für eine Art Gerstengriespudding, also ein Brei der in einem Behälter
im Wasserbad gekocht wurde.) -
und Dattelröster (= eingekochtes Dattelmus) oder Dattelsyrup. Es ist
noch nicht geklärt, ob dazu die reifen Datteln verkocht wurden, oder
ob der Saft der Palme direkt abgezapft und eingedickt worden ist.
Der von mir ins Bild gestellte Honig spielte eine sehr geringe Rolle,
da er im alten Mesopotamien kaum vorkam. Zucker aus Zuckerrohr kam
erst bei den Persern auf - also um 1500 v. Chr. - wir befinden uns
jetzt übrigens noch etwa im Jahr 3000 v. Chr.
Gebacken wurden diese kleinen Fladen auf heißen Steinen, in der Asche
oder im Fett in einer Art Pfanne. Zusammen mit Ghee (=geklärtem
Butterschmalz) wurde daraus ein Butterkuchen der in weiterem Ghee
ausgebacken wurde. Essig diente hierbei als Treibmittel.
Der Teig wurde versetzt mit Knoblauch, gehackten Feigen, Datteln und
anderen Trockenfrüchten.
Als echte Gewürze kamen vor: Safran, Pfeffer, Storax (=Weihrauch,
Mastix, Myrrthe oder anderes aromatisches Harz, der Begriff "storax"
erhält später eine andere Bedeutung und wird nicht mehr für Essbares
eingesetzt), sowie "galbanum", von dem man nur weiß das es sich um
einen Doldenblütler handeln muß.
Der erste schriftliche Nachweis von Zimt (auf akkadisch qinnamuunuu,
also sehr nahe an unserem heutigen Namen für Zimt (cinnamon) stammt
aus dem Jahr 1500 v. Chr. (!). Dattelsyrup ist seit 5000 Jahren als
Süssstoff für derartiges Gebäck nachgewiesen (das Zeichen "lal-3" hat
als 3. Bedeutung den Begriff "Dattelsyrup" und stammt aus dieser
Zeit).
Eine weitere nachgewiesene Zutat sind Walnüsse in jeder Form und in
großen Mengen, also ganz, gehackt, frisch, getrocknet, oder
fermentiert.
Diese Informationen stammen aus einem Kodex in Keilschrift, dem Kodex
von Gudece, einem Sumerischen Herrscher, der um 2200 v. Chr. lebte und
König von Lagasch war, sowie dem Lugal-Danda Epos, das um 1900 v.Chr.
entstand und das Leben eines Generals beschreibt, der 1000 Jahre
früher lebte. Dieser zog einst in die Berge und bereitete heiligen
Vögeln, bzw. deren Küken die oben erwähnten ba-ba-za zu. Er verwendet
Gerstenbrotteig, Dattelsyrup, Schafsfett, Ih (=Sahne), und weiter
steht dann im Text: "er würzte ihn" (oder "er gab Gewürze hinzu"). Was
und wieviel steht natürlich wiederum nicht dabei. Das muß dann aus
anderen Texten als wahrscheinlichste Zutat geschlossen werden
Weiter zu den Persern.
Diese verwendeten neben den bereits erwähnten Zutaten auch noch
Granatapfel (als Syrup, als Saft, und natürlich die getrockneten
Kerne, wie dies ja auch heute noch getan wird). Dazu Sauerpflaumensaft
und Biermalz, also gekeimte und geröstete Gerste.
Im UR 3 Schriftzyklus wird um 2000 v.Chr. zum ersten Mal Asafoetida
erwähnt, ein Gewürz (eigentlich ein Harz eines Strauches), das im,
fertigen Gericht sehr entfernt an Knoblauch erinnert und vorher
bestialisch nach Schwefel stinkt - das römische Laser, zumindestens
wohl das Laser parthicum, Laser cyrrhenaicum (also die Lieferpflanze)
ist wahrscheinlich bereits um die Jahrtausendwende von Menschen (wohl
den Römern) durch Sammeln ausgerottet worden (zumindestens steht das
so bei Apicius).
Weitere Gewürze für Backwerk bei den Persern sind:
Fenchel, Dill, Kümmel, cummin (=Kreuzkümmel)(es wird deutlich zwischen
beiden Arten unterschieden), Anis und Sternanis, Narde, Koriander,
dupranuu (=Kiefernharz), balsam (= wohl ein anderes Harz, aber noch
unbestimmt), Weihrauch, muru (=Myrrhe).
Interessant finde ich hier die Verwendung der Harze als Gewürz.
Um 1500 v.Chr. dann (wie oben erwähnt) der erste Nachweis von Zimt,
damit sind die Lebkuchengewürze relativ komplett.
Erwähnt wird der Import von Kardamom, allerdings ist nicht bekannt zu
welchem Zweck und welche Art. Nelken sind erst später, etwa um 1200
v.Chr. erwähnt, kommen also recht spät zu diesen Gewürzen hinzu.
Weiterhin wurde verwendet Rosenwasser und Honigmelonensaft als
Süssstoff und zur Aromatisierung.
Als Bindemittel für den Nuss-Gewürze-Rollgerstemix wird "sahlab"
angegeben, ein Bindemittel, das es heute unter immer noch dem gleichen
namen beim Türken gibt und das nichts anderes ist als Pfeilwurzmehl.
Als kleine Abweichung vom Thema möchte ich noch die Fleischcroissants
(?) erwähnen die um 1500 v.Chr. in dem erwähnten persischen Text
vorkommen. sie bestehen aus Fleisch und Süßmitteln gewürzt mit Minze
und Zimt. Das Ganze eingerollt in einen teig aus Mehl, Ghee (=geklärte
Butter) und Essig (als Treibmittel). Es ist natürlich reine
Spekulation, aber bestimmte Details des Textes lassen die Vermutung
aufkommen es könnte sich um eine Art Filo Teig handeln (der Teig uas
dem die Türken ihren Burek machen), also eine rt blätterteig. Hört
sich so an wie etwas was ich wohl mal ausprobieren will.
Bleibt nur noch eine weitere Zutat zu erwähnen, die aus der Hethiter
Küche stammt - der sumak der zum Säuern von Speisen auch heute noch
gerne verwendet wird.
Ein sehr schönes Buch über das Thema (von dem ich leider nicht mehr
Info habe) ist: "Jean Botteréro - Die mesopotamische Küche" (der Titel
ist hier falsch, den der eigentliche Titel ist französisch).
Und wer bis jetzt durchgehalten hat, für den hab ich noch was.
Set mindestens 15.000 Jahren (so lange sind entsprechende Reibesteine
bekannt) bereiten Aborigines in bestimmten Stammesgebieten
(Zentralaustralische Stämme, Pitjantjatjara, Pintubi, Warlpiri und
andere) kleine Kuchen zu indem sie stärkehaltige Pflanzenkörner (Samen
von Sorghum, Acacia, Portulaca etc.) zermahlen, mit Busch-Honig
vermischen und mit verschiedenen heimischen Gewürzen versetzen. Diese
Küchlein ("Morkul" genannt) werden dann in der Asche
gebacken/getrocknet und dienen zum einen als Wegeproviant für
Notzeiten und zum anderen als Traumzeitnahrung, also religiösen
Zwecken. Einiges davon ist inzwischen sogar wieder in die australische
Küche eingesickert, so das dort eine Sekundärentwicklung von Gebäck
wie Scones und Muffins feststellbar ist. Diese nette Info stammt aus
einem kleinen Buch über "Bushfood - die Nahrung der Aborigines".
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FredSchwohl, V1.0 7.9.03