= Beispiel für eine Charaktergeschichte = Mein Ziel bei dieser Charaktergeschichte war es, einerseits einen kurzen Überblick über das "Wer", "Wie" und "Warum" der Aebnteuerlaufbahn zu geben, andererseits aber auch eine lesefreundliche Kurzgeschichte zu verfassen. Der Stil ist ein wenig märchenhaft, was allerdings mit dem Genrehintergrund zusammenhängt. Darüber hinaus wird der Charakter noch gespielt; kopiert deshalb bitte nichts. Anmerkung: die teilweise schräg anmutenden Namen sind walisischen Ursprungs - die Aussprache kann man [http://de.wikipedia.org/wiki/Walisische_Sprache hier] lernen. == Aeddric ap Maelgwn == Es begab sich zu der Zeit, als Tristan König von Carbonek war. Lady Jocelyn, des Königs Barde, sandte ihren Diener Aeddric aus, das Reich zu verlassen und nach Fragmenten aus der glorreichen Zeit zu suchen. Aeddric, ein junger Fian, war stets seiner Herrin treuster Diener gewesen; deshalb schmerzte es ihn, der Heimat den Rücken zu kehren. Obschon er sich der wichtigen Queste bewusst war, erfüllte ihn dieser Gedanke mit Wehmut. Viel hatte er gelernt: Das Schreiben, das Lesen, den Kampf mit dem Schwert; ja er hatte sich sogar beizeiten am Turnier versucht. Doch war all dies genug? Des Barden Vasall sattelte seinen Rappen, zurrte den Umhang fest, und blickte noch einmal die Mauern Astolaths empor. Wann würde er diese schimmernden Türme wieder sehen? Der junge Mann besann sich noch einmal der vergangenen Tage die er hier verbracht hatte, und den Umständen, die ihn schließlich vor des Königs Thron geleitet hatten. Sein Vater Maelgwn gehörte einst ebenfalls den Fian an. Er war tapfer, stark und klug, und es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis er zu höheren Ehren bestimmt werden sollte. Doch war er wohl auch etwas zu wagemutig - Im Kampf gegen die Riesen wurde Maelgwn das Bein abgehauen. So ging die Nachfolge an Jocelyn, ebenfalls eine edle Dienerin des Ritters. Maelgwn, nun ein Krüppel, zog sich nach Terrywyk zurück, um hier sein trauriges Dasein viel zu früh zu beenden. Doch das Schicksal hatte ein Einsehen, und so kam es, dass er mit Heather (der Frau die ihn pflegte) in gegenseitiger Liebe entbrannte. Beide schlossen den ewigen Bund, und so wurden im Frühjahr darauf zwei Knaben geboren. Amlyn, der Ältere der beiden, erklomm bald schon die höchsten Bäume, und war des Vaters Stolz. Aeddric, der Jüngere, war das Kind seiner Mutter - sie erzählte ihm Geschichten, sang Lieder über alte vergangene Helden, und lehrte ihn ein wenig die Flöte zu blasen. Als nun die Mannbarkeit der beiden herannahte, schickte der Vater beide Söhne an den Hof des Königs. Lady Jocelyn wollte sich nur zu gerne dem mutigen Sohn des alten Freundes und Gefährten annehmen. Aeddric sollte seinen Bruder begleiten, um ebenfalls Arbeit auf Astolath zu finden. "Geschickte Hände werden dort schließlich immer gebraucht", sagte die Mutter. So kam es also, das die beiden Brüder auszogen, der eine um Fian zu werden, der andere, das Glück bei Hofe zu suchen. Doch Amlyn, der die Liebe einer Bäuerin gefunden hatte, wollte den Plan des Vaters nicht wahr machen - er bestelle lieber das Feld, im guten Gewissen, dass sein Weib auf ihn warte. Stetig bedrängte er seinen jüngeren Bruder, er möge an seiner Statt der Lady vorstellig werden. Schließlich erbarmte sich Aeddric, um den Vater nicht zu grämen. Er wusste, dass Amlyn früher oder später seinen Plan in die Tat umsetzen wollte, war dieser doch von jeher seinen eigenen Weg gegangen. So nahm er Abschied von seinem Bruder, und zog allein nach Astolath. Dort angekommen, stellte er sich wie verlangt der Lady Jocelyn vor. Das Schreiben des Vaters nannte nicht den Namen des Sohnes, und so ward es für die Lady nicht verwunderlich, dass der Junge vor ihr nicht ganz so stark und stattlich ausschaute wie angepriesen - der gute Maelgwn übertrieb ja gerne mal ein wenig. Die Ähnlichkeit mit dem Vater war jedoch nicht von der Hand zu weisen, und so (an ihr Wort gebunden) nahm des Königs Barde den jungen Aeddric in ihren Dienst. Lady Jocelyn lehrte ihn das, was einem Ritter geziemt; die Kriegskunst, den Waffendienst, die Wehrhaftigkeit, aber auch den Edelmut, die Aufrichtigkeit und die Tugend. Doch Aeddric hörte es am liebsten, wenn die alten Legenden und Sagen erzählt wurden. Wie er es am heimischen Feuer getan hatte, malte er sich auch hier die Geschichten in den wildesten Träumen aus. Diese Begeisterung machte ihn zu einem guten Schüler, und so sollte er schon im frühen Alter den Schwur der Fianna leisten. Doch noch immer nagte an ihm der Zahn der Zweifel und des Scheins. In der Nacht vor seinem Schwur suchte er seine Meisterin in ihren Gemächern auf, und aufgewühlt beichtete er ihr von dem Spiel, das sein Bruder und er gewagt hatten. Mit dem Zorn der Herrin rechnend machte er sich auf das Schlimmste gefasst. Aber Lady Jocelyn lächelte nur, und legte ihre Hand auf seine Schulter. "Du bist der Mann der du bist. Und das allein wird dich zu dem machen, was du sein wirst." So vergab der Barde seinem Schüler, und Aeddric kehrte beruhigt auf seine Kammer zurück. Am nächsten Tag leistete er den Schwur, der ihn an Ritter, König und Reich bis an sein Lebensende band. Erleichtert von seiner Last ging der Eid ihm unbeschwert von den Lippen, und voller Inbrunst wiederholte er die alten Worte. Noch am Tag darauf sollte er dem König vorgestellt werden, und so kam es also, das Aedric vor den Thron König Tristans trat. Dem Jungen bebten die Knie, doch wer würde ihm das verdenken? Und so sprach des Königs Barde: "Mein König! Dies ist Aeddric, Maelgwns Sohn. Er leistete den Eid und ist ein treuer Diener. Nun erbitte ich, ihn mir zum Fian zu geben." Das war vor zwei Tagen gewesen, und noch immer hatte Aeddric das ebene Gesicht des jungen Königs vor seinem Auge. Der Herr von Astolath hatte ihn angeblickt, lange und bedächtig. Und dann sprach er: "Wenn jemand für so lange Zeit die Rolle eines anderen spielt, wie du es getan hast, und sich weder Lüge noch Falschheit bedient, dann ist dieser Jemand wahrhaft ein Barde." Er hielt inne, und lächelte: "Du hast Schneid." Dann blickte er Lady Jocelyn an. "Er soll Euer sein. Betraut auch ihn mit der Aufgabe, dessen Erfüllung ich erbat. Ich glaube, in seiner Brust schlägt das richtige Herz dafür." Nun war es also seine Aufgabe, Carbonek zu verlassen. Ein Schatten legte sich über das Antlitz des jungen Mannes. Wann würde er wiederkehren? Andere würden mit ihm reisen, doch dies würde nur ein schwacher Ersatz für die Gestade seiner Heimat sein. Traurig und beflügelt zugleich riss Aeddric die Zügel herum, und gab seinem Pferd die Sporen. - DanielJ, 24.1.2006