= Der Handschuh =

Vor seinem Löwengarten,<<BR>>
Das Kampfspiel zu erwarten,<<BR>>
Saß König Franz,<<BR>>
Und um ihn die Großen der Krone,<<BR>>
Und rings auf hohem Balkone<<BR>>
Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,<<BR>>
Auftut sich der weite Zwinger,<<BR>>
Und hinein mit bedächtigem Schritt<<BR>>
Ein Löwe tritt<<BR>>
Und sieht sich stumm<<BR>>
Ringsum<<BR>>
Mit langem Gähnen<<BR>>
Und schüttelt die Mähnen<<BR>>
Und streckt die Glieder<<BR>>
Und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,<<BR>>
Da öffnet sich behend<<BR>>
Ein zweites Tor,<<BR>>
Daraus rennt<<BR>>
Mit wildem Sprunge<<BR>>
Ein Tiger hervor.

Wie der den Löwen erschaut,<<BR>>
Brüllt er laut,<<BR>>
Schlägt mit dem Schweif<<BR>>
Einen furchtbaren Reif<<BR>>
Und recket die Zunge,<<BR>>
Und im Kreise scheu<<BR>>
Umgeht er den Leu,<<BR>>
Grimmig schnurrend,<<BR>>
Drauf streckt er sich murrend<<BR>>
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder,<<BR>>
Da speit das doppelt geöffnete Haus<<BR>>
Zwei Leoparden auf einmal aus,<<BR>>
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier<<BR>>
Auf das Tigertier;<<BR>>
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,

Und der Leu mit Gebrüll<<BR>>
Richtet sich auf, da wirds still;<<BR>>
Und herum im Kreis,<<BR>>
Von Mordsucht heiß,<<BR>>
Lagern sich die greulichen Katzen.

Da fällt von des Altans Rand<<BR>>
Ein Handschuh von schöner Hand<<BR>>
Zwischen den Tiger und den Leun<<BR>>
Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges, spottenderweis,<<BR>>
Wendet sich Fräulein Kunigund: <<BR>>
"Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,<<BR>>
Wie Ihr mirs schwört zu jeder Stund,<<BR>>
Ei, so hebt mir den Handschuh auf!"

Und der Ritter, in schnellem Lauf,<<BR>>
Steigt hinab in den furchtbaren Zwinger<<BR>>
Mit festem Schritte,<<BR>>
Und aus der Ungeheuer Mitte<<BR>>
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen<<BR>>
Sehns die Ritter und Edelfrauen,<<BR>>
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.<<BR>>
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,<<BR>>
Aber mit zärtlichem Liebesblick<<BR>>
Er verheißt ihm sein nahes Glück<<BR>>
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.<<BR>>
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht: <<BR>>
"Den Dank, Dame, begehr ich nicht!"<<BR>>
Und verläßt sie zur selben Stunde.

([[http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schiller|Friedrich Schiller]])

----
zurück zu GedichteSammlung